Achterbahn der Liebe
Vom ersten Verliebtsein an läßt sich eine Zweierbeziehung in acht Phasen mit jeweils typischen Krisen einteilen. Dies ist das Resultat einer amerikanischen Studie, bei der die Beziehungen von mehreren hundert Paaren untersucht wurden. Höhen und Tiefen einer Partnerschaft lassen sich danach weitgehend vorhersagen.
Fast alle Paare, ob verheiratet oder nicht, leben in dem Gefühl, ihre Beziehung sei einzigartig und einmalig auf der Welt. Sie irren sich - das zeigt zumindest die Studie von Georgia Witkin. Die amerikanische Psychologieprofessorin hat herausgefunden, daß nahezu alle Zweierbeziehungen dieselben acht Phasen durchlaufen - vorausgesetzt, sie zerbrechen nicht schon vorher.
Jahr 1 : Verliebtheit mit Sex im Mittelpunkt
Der wesentliche Antrieb einer neuen Beziehung sind Georgia Witkin zufolge menschliche Neugier und die Hormone. Intimität und Sex stehen in dieser Phase klar im Mittelpunkt. Aus der Verliebtheit resultiert eine Idealisierung des Partners, bei dem man nur die Schokoladenseite sieht. Die Verliebten vergessen ihre eigenen Bedürfnisse. Dauernde Nähe und Leidenschaft führen dazu, daß beide die gegenseitigen Unterschiede übersehen. Läßt die erste Verliebtheit nach, steht die erste Krise vor der Tür. Jetzt zeigt sich, ob die Partner sich nach der Verliebtheit auch zu lieben vermögen. In dieser Phase sollten beide versuchen, durch Gespräche und gemeinsame Aktivitäten ein genaues Bild voneinander zu gewinnen. Ebenfalls sollte danach gefragt werden, ob sich der Partner seiner eigenen Träume und Erwartungen bewußt ist.
Jahr 2 bis 5 : Balance zwischen Verantwortung und Freiheit
Sex ist nicht mehr das, was es einmal war. Die ersten schweren Auseinandersetzungen stellen sich ein, und das früher so charmante Verhalten des Partners wirkt manchmal wie ein rotes Tuch. Allmählich erkennen beide, daß sie sich auf eine Verpflichtung eingelassen haben, die vielleicht ihre Fähigkeiten übersteigt. Jeder fragt sich gelegentlich, ob er wirklich den richtigen Partner gewählt hat. Diese Periode ist fast immer kritisch, in ihr kommt es häufig zu den ersten Seitensprüngen. Oft finden die Partner nur schwer das Gleichgewicht zwischen gemeinsamer Vertrautheit und notwendigem Alleinsein. Viele reagieren nun unsicher und haben Angst davor, für sich alleine etwas zu unternehmen. Der Kegelabend mit Kollegen oder auch der Spaziergang allein im Wald löst bei manchen ein Schuldgefühl gegenüber dem Partner aus. In diesen Jahren geht es darum, die Balance in der Partnerschaft zu finden, und sich selbst und auch dem Partner genügend Freiraum zu lassen. Mißlingt dies, wird die Beziehung oft als beengend empfunden. Beide sollten Dinge unternehmen, die sie zu Beginn ihrer Beziehung taten und die im Lauf der Zeit etwas in den Hintergrund gerückt sind.
Jahr 5 bis 10 : Stabilisierung vor dem verflixten siebten Jahr
Meist fallen erst in dieser Periode die Würfel endgültig. Jetzt zeigt sich, ob man sich bewußt für seinen Partner entschieden hat, oder ob man aus Furcht vor dem Alleinsein einfach an ihm hängengeblieben ist. Das verflixte siebte Jahr steht bevor. Jeder wirft dem anderen vor, passiv, langweilig oder unzugänglich zu sein. Phantasien von Scheidungen, von Liebhabern und Geliebten tauchen auf. Wer diese Periode mit heiler Haut überstehen will, muß weitgehend "ich" statt "wir" denken. Es geht nämlich darum, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sich zu fragen, was man eigentlich mit seinem Leben erreichen will. Die Kunst besteht darin, ein gesundes Gleichgewicht zwischen den eigenen Bedürfnissen und jenen des Partners herzustellen. Irritationen über die weniger glücklichen Seiten des Partners sollten einer Anerkennung der guten Seiten des anderen Platz machen. Besonders in dieser Phase empfiehlt es sich, dem Partner zu zeigen, welche Werte man bei ihm besonders schätzt. Er sollte gelobt werden, wann immer es einen Anlaß dazu gibt. Dies schafft eine Atmosphäre der Großzügigkeit, die es ermöglicht, schwere Zeiten zu akzeptieren.
Jahr 10 bis 20 : Tägliche Routine gibt ein Gefühl der Geborgenheit
Diese Periode kann eine sehr glückliche Zeit sein. Die Reaktionsmuster des Partners sind dem anderen nun durch und durch bekannt. Entscheidend für den Erfolg in dieser Periode sind nicht Alltagsgeschäfte und die berufliche Karriere an sich, sondern die Art und Weise, wie man sie betrachtet und dem anderen mitteilt. Bringt dies dem Partner ein Gefühl von Inhalt und Spannung im Leben, neigen beide dazu, Geborgenheit und Alltagsroutine als etwas Wichtiges und Gutes zu betrachten. Von dieser Plattform aus lassen sich dann neue Seiten einer Beziehung aufgreifen. Doch auch in dieser Periode lauern Gefahren für die Partnerschaft. Sind Paare mit anderen Menschen zusammen, klagen sie diesen gegenüber oft unverhüllt über ihren Partner. Zu diesem Ränkespiel gehören auch Demütigungen und Kränkungen des anderen sowie Vergleiche mit früheren oder anderen Beziehungen. Paare, die dieses Jahrzehnt gut überstehn, strahlen Humor und Selbstironie aus. Das Leben macht ihnen Spaß, Zank mit dem anderen ist nun nicht mehr ihre Sache.
Jahr 20 bis 30 : Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben steht bevor
Für die meisten beginnt nun eine schwere Phase. Die Kinder verlassen das Elternhaus und hinterlassen häufig eine ungekannte Leere. Für beide Partner ist es Zeit, die bisher unerreichten Ziele ihres Lebens zu verfolgen, wenn sie diese noch erreichen wollen. In diesen Jahren sterben oftmals die Eltern, und man spürt, selbst sterblich zu sein. Kein Wunder, wenn häufig die Angst vor Krankheiten zunimmt. Viele halten diese Periode oft für die letzte Möglichkeit eines Aufblühens, Männer gehen in dieser Phase gern fremd.
Jahr 30 bis 40 : Ehrlichkeit in der zweiten Jugend
Beide Partner wissen nun, daß sie auch den restliche Weg ihres Lebens gemeinsam gehen werden. Ihr vorherrschendes Gefühl ist ein Entspanntsein, wie sie es nur drei Jahrzehnte nach der geglückten Stabilisierungsphase empfinden können. Jeder ist für den anderen da, und eine gemeiname zweite Jugend beginnt. Hat ein Paar trotz aller Probleme bis zu diesem Punkt durchgehalten, dann ist seine emotionale Stärke und die Ehrlichkeit dem anderen gegenüber größer als je zuvor.
Jahr 40 bis 50 : Vorbereitung auf ein Leben ohne den Partner
Krankheit und Tod schleichen sich in den Alltag ein. Freunde und Nachbarn, die man sein Leben lang gekannt hat, werden alt und sterben. Man lernt zu akzeptieren, daß das eigene Ende naht, und die beiden Partner unterstützen sich gegenseitig bei Krankheiten so gut es geht. Jeden Tag lebt man rund um die Uhr an der Seite des anderen - trotz mancher Konflikte, die etwa aus Angst vor dem Tod und fehlendem Interesse seitens der Kinder resultieren. Trotzdem sollten auch in dieser Periode beide versuchen, sich gegenseitig unabhängig zu machen und auch einmal etwas auf eigenen Faust zu unternehmen. Auf diese Weise können sie das Risiko verringern, nach dem Tod des Partners völlig verlassen zu sein und seelisch zu verkümmern.
Nach dem 50. Jahr : Zehren von den Erinnerungen
Ist die goldene Hochzeit gefeiert, bleiben für die meisten nur noch die Erinnerungen übrig, von denen das alt gewordenen Paar nun zehrt. Sie erzählen jedem, der es hören mag, oder nicht, daß 50 gemeinsame, glückliche Jahre aus einer Kombination resultieren, die sich aus hoher Moral, geistiger Stabilität, Freundlichkeit, Verantwortungsbewußtsein und einer guten Gesundheit zusammensetzt. Mit Sicherheit erzählen sie außerdem: Krisen und Konflikte sind in einer lebenslangen Partnerschaft unvermeidlich. Angenehm seien Krisen zwar selten, doch sie seien notwendig gewesen, um die Zusammengehörigkeit zu festigen.
(Quelle: Illustrierte Wissenschaft 05/95)

Erika und Wilhelm hier am Tag ihrer Gnadenhochzeit, d. h. 70 Jahre Ehe!
(zwischen ihnen der Bezirksbürgermeister zur Gratulation)
Kommentar:
Ich pers. stehe Pauschalierungen, auch wenn sie sich Studien nennen, etwas skeptisch gegenüber. Im Großen und Ganzen mögen diese "Phasen" ja stattfinden, nur in welchem Ausmaß und wenn ja ob alle usw. das sei mal dahin gestellt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Viele äußere Umstände spielen bei der Entwicklung einer zwischenmenschlichen Beziehung eine Rolle und so denke ich, bewahren wir uns alle doch ein wenig Individualität - auch im Werdegang der Liebe unseres Lebens!


|